Mk 10, 46-52 | Hebr 11 | KlTest 1-4
Feststehen
Feststehen. Eine feste Grundlage haben. Ein Boden, der mich sicher trägt. Das wünschen sich viele von uns. Gerade in unsicheren Zeiten suchen wir eine feste Grundlage.
Das suchen wir in der Politik: eine belastbare, tragfähige Mehrheit, eine gemeinsame Grundlage, wenigstens für Europa – und haben sie im Moment nicht. Und das suchen wir im Privaten: in einer festen Beziehung sein, mit einer festen Partnerin, einem festen Partner, in stabilen Verhältnissen – und haben es auch hier längst nicht immer.
Was ist die feste Grundlage, wenn alles wackelt? War es nicht hier bei uns über Jahrhunderte der Glaube? Müsste nicht der Glaube, der feste, verwurzelte Glaube, noch viel mehr als Politik und Familie die belastbare Grundlage für unser Lebens sein?
Hebr 11: „Grundlage dessen, was man erhofft“
Der Hebräerbrief sagt: „Glauben aber ist: Grundlage dessen, was man erhofft.“ Da haben wir die Grundlage. Wir sind beruhigt, für den ersten Moment. Und im zweiten Moment denkt man: Was ist das denn? „Grundlage dessen, was man erhofft“? Das ist ja ein Widerspruch: Feststehen in dem, was man erhofft. Wie soll ich feststehen in dem, was ich hoffe – und noch gar nicht habe.
Zwischen einer Grundlage, auf der ich sicher stehe, und einer Hoffnung, die sich am Horizont abzeichnet, ist ein weiter Weg. Genau. Nichts anderes ist der Glaube Abrahams und Sara.
Was war denn ihr fester Stand? Sie hatten keinen. Sie zog weg, ohne zu wissen, wohin sie kommen würde. Aufgrund des Glaubens gehen sie los. Aufgrund des Glaubens siedeln Issak und Jakob in Zelten. Aufgrund des Glaubens sucht sie Heimat.
Glauben ist eine Form von Verankerung. Aber nicht so, dass wir einen Anker nach unten lassen, sondern so, dass wir den Anker weit nach vorne werfen, in die Zukunft, und denn hinterher gehen.
Mit Abraham und Sara, geht dann eine riesige Karawane los von Glaubenden – Hoffenden - Pilgernden. Und bei Sara, der
ersten Frau im Glaubensstrom, wird gleich klar, wie ernst das gemeint ist. Wer eh in einer hoffnungsvollen Situation ist, kann leicht Hoffnung hegen, dass das gut rausläuft. Die hatte sie
nicht.
Wenn die Hoffnung die einzige Grundlage ist, ist sie wirklich Hoffnung.
„Nur um der Hoffnungslosen willen, ist uns Hoffnung gegeben“. Sonst wäre es ja leicht.
Fundament und Fundamentalismus
Wo stehen wir heute? Wo stehen wir als Kirche? Das weiß gerade keiner. Nur dass es wackelt, spüren wir. Es wäre so viel gewonnen, wenn wir zu dem einen stehen würden, dass wir als Glaubende unterwegs sind. Kirche ist eine Pilgerin, die franziskanische Bewegung sowieso.
Und deshalb sind diese Fragen schon lustig, die ich häufig höre: Stehst Du links oder rechts? Sind die Kapuziner konservativ oder liberal? Christinnen und Christen stehen am besten gar nicht so viel. Sie gehen.
Dieser Glaube Abrahams und Saras, dessen Fundament die Hoffnung ist, ist das Gegenteil von Fundamentalismus. Denn das ist die Versuchung, einen Glauben haben zu wollen, zu behaupten, der sich ein Fundament betoniert. Wobei eigentlich jedem klar ist, dass ein zu festes Fundament Risse bekommt.
Bartimäus
Lassen sie uns da nicht stehen bleiben. Gehen wir weiter in der Karawane der Glaubenszeugen: Abraham und Sara. Isaak und Jakob.
Bartimäus. Das Evangelium von Bartimäus ist sehr wertvoll für uns. Weil es uns eine Nahaufnahme gibt von genau dem Moment, wo ein Mensch aus dem Stand sich auf den Weg macht.
Bartimäus steht nicht, er sitzt sogar am Stadttor von Jericho. Blind, und aussichtslos. Er wartet auf die einmalige Chance, wo an seinem Leben Jesus vorbeizeiht. In diesen einen Augenblick gibt Bartimäus seiner ganzen Hoffnung Ausdruck und schreit. Und dann geht es sehr schnell.
Er schreit noch einmal:
Jesus fragt ihn: „Was willst Du, dass ich Dir tue?“
Bartimäus spricht aus tiefstem Herzen: „Ich will sehen!“
Und schon sieht er – und schon geht er.
Diese Momentaufnahme zeigt, wie das geht, wie uns die Hoffnung Grundlage wird loszugehen. Und sie zeigt drei Dinge, die zu jeder lebendigen Berufung als Christ gehören, dass diese drei Dinge zusammenkommen:
dass wir diesen einen persönlichen Moment haben mit Jesus.
dass wir in dieser Begegnung geheilt werden – von Blindheit, oder wo und was immer unsere wunde Stelle ist.
dass wir dann uns aufmachen, mitgehen. Nicht mehr anders können als mitgehen.
Franziskus und Klara
So wie Abraham und Sara, Isaak und Jakob, Bartimäus. Gehen wir weiter. Machen wir einen Sprung von gut 1000 Jahre zu
Franziskus und Klara.
Noch zwei ausgesprochene Weg-Menschen. Die Initialzündung unseres Ordens, unserer Bewegung, ist der Moment, als Franziskus das Evangelium hört, wie Jesus seine Jünger auf den Weg schickt und
aussendet. Und Franziskus geht mit aller Entschiedenheit los.
Klara schreibt in ihrem Testament, dass wir eben gehört haben, wie dieser Aufbruch des Franziskus wiederum sie und die Schwestern mitgenommen hat.
Dann aber schreibt Klara – sie, die wahrlich nicht viel herumgekommen ist –
diesen wichtigen und wunderbaren Satz:
„der Sohn Gottes ist uns Weg geworden“
Nur einfach Gehen und Rumlaufen gibt noch keinen Sinn. Wohin geht’s, was ist der richtige Weg? „Der Sohn Gottes ist uns Weg geworden!“ Voll und ganz ist das unser Weg. Deswegen sind wir Weg-Menschen. Deswegen dürfen, können wir nicht stehen bleiben.
Br. Bernd
Abraham und Sara, Bartimäus, Franziskus und Klara. Wir kommen immer näher. Und so muss ich noch einen letzten Stopp machen.
Br. Bernd hat mir aufgetragen, nicht über ihn sondern über die Texte zu sprechen. Das hab ich jetzt getan. Aber da Du die Texte ja ausgesucht hast, kannst Du nicht verleugnen, dass sie auch von Dir sprechen. Und ich schon die ganze Zeit auch von Dir gesprochen habe.
Du hast Dich eingereiht in den Weg, weil Du gemerkt hast, dass Du nicht anders kannst. Nicht vor 25 Jahren sondern schon
eher hat es begonnen, dass ER Weg geworden ist, ein Weg, der immer mehr Gesicht bekam.
Es ist Dir als Kapuziner wichtig, dass Du nicht allein gehst. Dir ist wichtig, dass es diese Reihe von Zeugen gibt, die vor uns gegangen sind. Sie heißen Abraham und Sara, Franziskus und Klara.
Sie heißen auch, um zwei zeitlich noch nähere und starke Vorgänger zu nennen: Br. Felix und Br. Wolfgang.
Und es ist Dir, Bernd, genauso wichtig, dass noch welche nachkommen.
Und deswegen hast Du deine besten Jahre dafür eingesetzt, dass die Nachfolgenden gut in die Gänge kommen. Novizenmeister sein heißt ja, den jungen Brüdern vorangehen und mitgehen – und auch mal
hinterhergehen.
Nicht nur wir (ehemaligen) Novizen sind Dir dafür dankbar. Viele kennen Dich als einen Begleiter, als Geistlichen Begleiter in ganz unterschiedlichen Lebenslagen. Viele sind da, die Du und die Dich ein Stück weit begleitet haben. Und die Menschen in St. Andrä haben auch schon gemerkt, dass Du einer bist, der weitertreibt und anschiebt – und das in einer interessanten Mischung: beweglich und zugleich bodenständig zu sein.
Wenn wir heute mit Dir Jubiläum feiern, dann feiern wir nicht, dass Du vor 25 Jahren mal eine richtige Entscheidung
getroffen hast, sondern dass Du schon eine so beachtlich lange Wegstrecke als Kapuziner gehst. Heute ist ein Meilenstein, und es ist es gut, diesen Tag groß zu feiern.
Aber das entscheidende geschah und geschieht auf dem Weg, irgendwo zwischen Frankfurt, Werne, Offenburg, Salzburg und wohin dich dein Weg weiter führt.
Für dich – aber für uns alle - gilt, was die Hl. Klara schreibt: „Der Sohn Gottes ist uns Weg geworden.“ Seine Freundschaft erwartet uns unterwegs.
Br. Dr. Stefan Walser OFMCap